Journal Lesetipps Wiki E-Mail info@sokrates.jetzt

Neuester Artikel im Sokrates Jetzt Journal: »Du kannst die anderen nicht ändern, nur dich selbst«

Der Heringsschwarm – über die kollektive Logik der Ausgrenzung

Foto: Harrison Haines, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen

Der Heringsschwarm – über die kollektive Logik der Ausgrenzung

In der #Natur bewegt sich ein #Heringsschwarm wie ein einziger #Organismus. Kein #Hering führt – und doch folgen alle. Ein #Reiz, ein #Schatten, ein #Impuls genügt, und die Masse wendet sich mit absoluter #Synchronität. Jeder Einzelne glaubt, er reagiere nur auf die anderen. In #Wahrheit reagiert niemand – und alle zugleich.

So funktioniert auch sozialer Ausschluss.

Ein #Gerücht, eine #Bemerkung, ein inszenierter #Affront – der 1. #Impuls reicht, um das #System in Bewegung zu setzen. Von da an herrscht #Heringslogik: Niemand weiß genau, worum es eigentlich geht. Niemand will auffallen. Und alle bewegen sich gemeinsam in die Richtung der #Empörung.

Der Urheber des Mobbings braucht danach nichts mehr zu tun. Er hat den #Schwarm nur getriggert – und der Schwarm erledigt den Rest.

Je weniger die Beteiligten wissen, desto besser funktioniert der Mechanismus. Denn Wissen erzeugt Zweifel, und Zweifel hemmt die Bewegung. #Mobbing ist daher kein intellektueller, sondern ein emotionaler Prozess – eine infektiöse Gruppenemotion, die durch Angst, Moral und Zugehörigkeit gesteuert wird.

In dem Moment, in dem das Opfer reagieren will, ist es schon zu spät. Sobald es sich #rechtfertigt, erkennt es die #Anklage als #Diskurs an – und verliert. Sobald es schweigt, gilt das #Schweigen als #Schuldeingeständnis. Sobald es sich verteidigt, gilt die Verteidigung als #Beweis seiner »#Schwierigkeit«. Das #Opfer ist eingekesselt im #Dilemma der #Reaktion: Alles, was es tut – oder nicht tut – bestätigt das #Narrativ des Täters.

Der Täter wiederum verschwindet – wie der Anführer (den es gar nicht gibt) des Schwarms. Er wird überflüssig, sobald das System läuft. Von nun an agieren die Flying Monkeys – willige Helfer, die das moralische oder soziale Signal verstärken, ohne zu begreifen, dass sie Instrumente sind. Ihr Beitrag ist klein, aber massenhaft – und deshalb vernichtend.

So entsteht eine soziale Maschine ohne Verantwortliche, ein #Schwarm ohne #Bewusstsein, eine #Moral ohne #Gerechtigkeit. Und während der Heringsschwarm im #Meer zumindest einem natürlichen Instinkt folgt, folgt der menschliche Schwarm nur seiner eigenen Angst – der Angst, selbst der Nächste zu sein.

Am Ende bleibt dem Opfer nur eine Frage, die niemand beantworten will: »Cui mutare«? Wer kann es ändern? Doch diese Frage versteht niemand. Und sie interessiert auch niemanden.